Ein Flair für Insekten
Igitt! oder Juhu!: Die Reaktionen der Menschen auf Insekten fallen meist in diese beiden Kategorien. Dieses Kapitel beleuchtet den bemerkenswerten Werdegang von „Juhu!“-Menschen, die ihre Leidenschaft für Insekten in eine Karriere zur Erforschung und Arbeit an diesen faszinierenden Kreaturen verwandelt haben.
Warum erforschen Menschen Insekten?
Manchmal ist es ein Wissenschaftscamp im Frühling oder eine Kindheit in einem Haus mit Garten oder vielleicht ein Mikroskop, das man zum Geburtstag geschenkt bekommt, das das Interesse an Insekten weckt. Ihre Formen, Grössen, Farben und Verhaltensweisen sind sehr vielfältig und wecken bei unzähligen zukünftigen Forschenden schon in jungen Jahren die Neugier.
Die Entomologie, das wissenschaftliche Studium der Insekten, bietet eine breite Palette faszinierender Karrieremöglichkeiten. Auch wenn der Gedanke, seinen Lebensunterhalt mit der Erforschung von Insekten zu verdienen, zunächst ungewöhnlich erscheinen mag, sollte man bedenken, dass Insekten die grösste Tiergruppe auf der Erde darstellen, die Nahrungsmittelproduktion, Ökosysteme, die menschliche Gesundheit und sogar Kultur und die Technologie auf vielfältige Weise beeinflussen. Folglich können Entomologen und Entomologinnen vielfältige Aufgaben in Bereichen jenseits der Grundlagenforschung wahrnehmen.
Um diesen Inhalt anzuzeigen, müssen die Marketing und Drittpartei-Cookies akzeptiert werden.
Eine dieser Laufbahnen ist die der Insektentaxonomie, bei der neue Arten beschrieben und evolutionäre Beziehungen zwischen eng verwandten Taxa* hergestellt werden. Fachleute der Insektentaxonomie arbeiten oft an Universitäten oder in den Insektensammlungen von Museen. Taxonom:innen spielen eine entscheidende Rolle bei der Identifizierung von Insektenarten, da ihnen sowohl Wissenschaftler:innen als auch Hobby-Entomolog:innen Exemplare zur genauen Klassifizierung vorlegen.
Darüber hinaus arbeiten einige Entomolog:innen als Kurator:innen in Museen und verwalten und sichern umfangreiche Insektensammlungen, die Millionen von Exemplaren umfassen können. In dieser Funktion engagieren sich Entomolog:innen auch in der öffentlichen Bildung, indem sie Workshops, Ausstellungen und Museumsführungen organisieren und so die Wertschätzung für Insekten bei Erwachsenen und Kindern gleichermassen fördern. Durch diese Aufgaben tragen Entomolog:innen zu wissenschaftlichen Erkenntnissen bei und sensibilisieren die Öffentlichkeit für die grosse Bedeutung der Insekten.
Der König der Stiche
Schmidt Sting Pain Index (Schmidt-Stichschmerz-Index)
Justin O. Schmidt, ein renommierter Entomologe, der als „The king of sting” (König der Stiche) bekannt war, revolutionierte die Erforschung stechender Insekten durch die Entwicklung des Schmidt Sting Pain Index. Diese Skala stuft den Schmerz der Stiche von 80 Bienen-, Wespen- und Ameisenarten auf einer Skala von 1 bis 4 ein, begleitet von anschaulichen Beschreibungen der Empfindungen. Die Skala reicht von der Beschreibung eines Stichs einer Anthophoridae-Biene der Stufe 1 als „fast angenehm“ bis hin zum Stich einer 24-Stunden-Ameise (Paraponera clavata) der Stufe 4 als „reiner, intensiver, brillanter Schmerz. Als würde man mit einem 3-Zoll-Nagel in der Ferse über brennende Holzkohle laufen.“. Schmidt hat im Laufe seiner Karriere über 1 000 Stiche erlitten, um Daten aus erster Hand für seine Forschung zu sammeln. In seiner Arbeit verband er rigorose wissenschaftliche Untersuchungen mit ansprechender Kommunikation und machte so die komplexen Zusammenhänge der Biochemie von Giften einem breiten Publikum zugänglich. Seine Memoiren „The Sting of the Wild“ verschafften seinem einzigartigen Beitrag zur Entomologie breite Anerkennung.
Um diesen Inhalt anzuzeigen, müssen die Marketing und Drittpartei-Cookies akzeptiert werden.
Eine weitere interessante Karriereoption ist die Insektenzucht, bei der „Mini-Vieh“ gezüchtet wird, um Lebensmittel, Futtermittel, Seide, Honig und andere Produkte für den menschlichen Gebrauch zu erzeugen. Die Bienenzucht, die bekannteste Form der Insektenzucht, wird seit dem Altertum betrieben und ist auch heute noch weit verbreitet. Die Seidenproduktion, die von Seidenspinnern abhängt, folgt in ihrer Bedeutung dicht dahinter.
In den letzten Jahren wurden immer mehr Insekten für die Landwirtschaft domestiziert, was das Fachwissen von Entomolog:innen – Spezialist:innen für Insektenbiologie und -aufzucht – für die Industrie sehr wertvoll macht. Zu den häufig gezüchteten Arten gehören Schwarze Soldatenfliegen, Mehlkäferlarven (Mehlwürmer), Larven des Glänzendschwarzen Getreideschimmelkäfers, Grillen, Cochenilleläuse und Schaben, die alle zu dem weltweit wachsenden Interesse an nachhaltigen insektenbasierten Produktionssystemen beitragen.
Insekten beeinflussen unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden auf eine Weise, die uns oft nicht bewusst ist. Niemand möchte zum Beispiel in einer Wohnung leben, die von Kakerlaken, Bettwanzen oder anderen Gliederfüsslern befallen ist. Diese Schädlinge sind nicht nur lästig, sondern können durch die Übertragung von Krankheiten auch ein erhebliches Gesundheitsrisiko darstellen. Stadtentomolog:innen spielen eine entscheidende Rolle bei der Bewältigung dieser Herausforderungen, indem sie innovative und wirksame Strategien zur Bekämpfung und Beseitigung von Schädlingen im städtischen Umfeld entwickeln.
Die medizinische Entomologie befasst sich mit Insekten, die tödliche Krankheiten übertragen können. Dazu gehören Stechmücken, Gnitzen, Zecken, Raubwanzen usw. Durch die Untersuchung des Verhaltens und der Ökologie dieser Insekten tragen medizinische Entomolog:innen zur öffentlichen Gesundheit und Sicherheit bei.
Dies sind nur einige der Karrieremöglichkeiten, die sich für Absolvent:innen eines Entomologie-Studiums bieten. In diesem Kapitel haben wir Interviews mit Entomologie-Fachleuten aus der ganzen Welt geführt und mehr über die faszinierende Arbeit erfahren, die sie jeden Tag mit Insekten verrichten.
*Glossar
Ein Taxon (Plural: Taxa) ist eine Gruppe von Organismen, die in der biologischen Systematik aufgrund gemeinsamer Merkmale zusammengefasst werden. Es kann verschiedene Hierarchieebenen umfassen, wie Art, Gattung oder Familie. Taxa dienen dazu, die Vielfalt des Lebens zu ordnen und evolutionäre Beziehungen zwischen Organismen darzustellen.