Erstaunliche Bestäuber
Was gab's bei Ihnen heute zum Frühstück? Müsli? Orangensaft? Vielleicht Brot mit Konfitüre? Oder einfach nur Kaffee? Was auch immer es war, kleine Lebewesen waren an seiner Herstellung beteiligt – die Bestäuber.
Bestäuber-Vielfalt
- Weltweit gibt es etwa 350 000 Bestäuberarten.
- 10% der Tierarten, die an Land leben, sind Bestäuber.
- Insekten wie Motten, Schmetterlinge, Bienen, Wespen und Fliegen bilden die grosse Mehrheit der Bestäuber.
- Wirbeltiere wie Vögel, Fledermäuse, Eidechsen und Nagetiere machen einen viel kleineren Teil der Bestäuber aus.
- Es gibt Belege, dass wirbellose Tiere Seegras unter Wasser bestäuben.
Die Bedeutung der Bestäubung
Schätzungen zufolge ist die Bestäubung durch Tiere (insbesondere Insekten) für die geschlechtliche Fortpflanzung von 86% der Blütenpflanzen wichtig. 75% aller Obst- und Gemüsesorten steigern ihre Produktion, wenn sie von Tieren besucht werden. Etwa ein Drittel der Nahrungsmittelproduktion erfordert die Bestäubung durch Tiere.
Darüber hinaus ist ein Grossteil der Wildpflanzen auf die Bestäubung durch Tiere angewiesen, um sich fortzupflanzen. Die Bestäubung sichert also das Überleben der Pflanzen – und der von ihnen abhängigen Tiere – und trägt indirekt zur Wasserreinigung, zum Hochwasserschutz und zur Bodenstabilisierung bei. Wirtschaftlich gesehen ist die Bestäubung eine Ökosystemdienstleistung, die weltweit mit 235–577 Milliarden US-Dollar pro Jahr bewertet wird1. In der Schweiz beläuft sich der geschätzte Wert der Bestäubung durch Wildbienen allein auf 271 Millionen Schweizer Franken pro Jahr2.
Ein kleines Rätsel
Bestäuber tragen dazu bei, dass wir uns abwechslungsreich und nährstoffreich ernähren, und nicht nur Kalorien aufnehmen. Dieses üppige Frühstück ist das Werk von Bestäubern (abgesehen von Getreide). Wie viele verschiedene Bestäubungsprodukte können Sie auf dem Foto entdecken?
Wir haben 15 gezählt! Vergessen Sie diejenigen nicht, die in der Konfitüre und im Müsliriegel versteckt sind.
- Erdbeere
- Heidelbeere
- Brombeere
- Himbeere
- Apfel
- Johannisbeere (Konfitüre)
- Honig
- Tee oder Kaffee
- Orange (Saft)
- evtl. Zuckerrübe (keine eindeutige Evidenz)
Müsliriegel:
- Mandeln
- getrocknete Früchte
- Cashew-Nüsse
- Vanille
- Kakao
Vom Wind bestäubt: Getreide (Gipfeli, Waffel)
Nicht nur Honigbienen
Domestizierte Honigbienen sind nicht die einzigen Bestäuber. Wilde Insekten sorgen weltweit für eine effizientere und hochwertigere Bestäubung (die zu höheren Erträgen führt) einer Reihe von Nutzpflanzen. Forschung in der Schweiz zeigt, dass Bestäubung und Fruchtansatz am höchsten sind, wenn Nutzpflanzen sowohl von Honigbienen als auch von Wildbestäubern besucht werden. Sehen Sie sich unsere Bestäuberportraits unten auf dieser Seite an.
Rückgang der Bestäuber
Die Zahl der Bestäuber nimmt auf lokaler, regionaler und globaler Ebene ab. Ein Rückgang ist bei Bienen, Schwebfliegen, Schmetterlingen und Motten, Wespen und Wirbeltierbestäubern zu verzeichnen. Arten mit spezialisierten Merkmalen oder spezifischen Anforderungen an ihren Lebensraum sind besonders betroffen.
Warum nimmt die Zahl der Bestäuber ab?
Die Zahl der Insekten ist weltweit rückläufig. In Deutschland ist die Gesamtbiomasse der Fluginsekten in 27 Jahren um 76% zurückgegangen3. In der Schweiz liegen keine Daten über die Gesamtmenge der Insekten vor, aber von 1 153 Insektenarten, die in der Roten Liste aufgeführt sind, sind 60% gefährdet oder potenziell gefährdet4. Die zwei wichtigsten Gründe für diesen Rückgang sind der Klimawandel und die Intensivierung der Landwirtschaft.
Der Klimawandel
Bestäuber brauchen Blüten, um sich und ihre Nachkommen zu ernähren, während Pflanzen Bestäuber brauchen, um sich zu vermehren. Damit dieser Austausch stattfinden kann, müssen die beiden Parteien synchronisiert sein, d. h. zur selben Zeit anwesend sein. Der Klimawandel bedroht die seit langem etablierte Synchronisierung der saisonalen Bestäuberaktivität und der Blütezeit. Das Auftreten bestäubender Insekten nach dem Winterschlaf hängt in hohem Masse von der Temperatur ab, die sich im Zuge des Klimawandels verändern kann. Wenn es früher im Jahr wärmer wird, beenden die Insekten ihre Winterruhe früher. Im Gegensatz dazu blüht eine Pflanze in Abhängigkeit davon, wie lange sie dem Licht ausgesetzt ist, was nicht dem Klimawandel unterliegt. Aufgrund dieses Missverhältnisses könnte die Nahrung für Bestäuber früh in der Saison bedenklich knapp ausfallen.
Intensivierung der Landwirtschaft
Die Intensivierung der Landwirtschaft umfasst grössere, gleichförmige Felder, weniger Fruchtfolgen und Deckfrüchte, die Beseitigung von Hecken, Feldrändern und anderen nicht bewirtschafteten Flächen, weniger blühende Unkräuter und einen grösseren Einsatz von Pestiziden und Düngemitteln. Dies ist mit einem Rückgang der Blütenressourcen verbunden. Eine umfassende historische Beurteilung des Nektarangebots im Vereinigten Königreich ergab, dass die Gesamtverfügbarkeit von Nektar in England und Wales zwischen den 1930er und 1970er Jahren um 32% zurückging, was mit der Hauptperiode der landwirtschaftlichen Intensivierung und der schnellsten Phase des in Grossbritannien verzeichneten Bestäubersterbens einherging.
Schon gewusst?
Nektar und Pollen von Blütenpflanzen sind die primäre Energiequelle für die meisten adulten Bestäuber und – im Fall von Bienen – auch für ihre Larven. Für Bestäuber dient der Nektar vor allem dazu, sie mit ausreichend Energie für die Nahrungssuche, den Nestbau, die Partnersuche und das Füttern des Nachwuchses zu versorgen. Pollen spielt eine wichtige Rolle bei der Anlockung von Tieren. Er besteht aus Proteinen, Lipiden, Kohlenhydraten, Vitaminen und Mineralien, die insbesondere für Bienen in den frühen Stadien der Kolonieentwicklung wichtige Nahrungsbestandteile darstellen. Obwohl Nektar die Hauptressource ist, die die Vorlieben von Bestäubern in ihrer Nahrungssuche beeinflusst, werden Entscheidungen auch auf der Grundlage der Quantität und Qualität der Pollenressourcen getroffen.
Bedeutung der Blütenressourcen
Blütenressourcen können anhand folgender vier Hauptmerkmale beschrieben werden, die gemeinsam die Eignung der Ressourcen für Bestäuber gewährleisten:
- die Quantität der Ressourcen – die Gesamtmenge der in einer Landschaft verfügbaren Ressourcen
- die Qualität oder Eignung der Ressourcen, z. B. ihre Vielfalt, ihr Nährwert und ihre Zugänglichkeit für Bestäuber
- die räumliche Anordnung der Ressourcen, z. B. ihre Dichte, ihre Verteilung zwischen Blumenfeldern und Lebensräumen und die Entfernung, die Bestäuber zurücklegen müssen, um sie zu erreichen
- das zeitliche Auftreten der Ressourcen – ob sie zur richtigen Jahreszeit verfügbar sind, um der Nachfrage der Bestäuber zu entsprechen
Quellen
1IPBES. 2016. The assessment report of the Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services on pollinators, pollination and food production. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.3402857
2Fluri P. & Frick R.2005. L`apiculture en Suisse: état et perspectives. Revue suisse d'agriculture, 37(2): 81-86.
3C. A. Hallmann et al. 2017. More than 75 percent decline over 27 years in total flying insect biomass in protected areas. PLoS One12, e0185809. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0185809
4Swiss Academy of Sciences 2021. Erster_umfassender_Bericht_zum_Zustand_der_Insekten_in_der_Schweiz https://scnat.ch/en/uuid/i/ef4bcabb-079f-5c00-a8fb-cce85a414549-Immer_stiller_und_eint%C3%B6niger_
Brown MJF & Paxton RJ. 2009. The conservation of bees: a global perspective. Apidologie, 40: 410-416.
Garibaldi LA et al. 2013. Wild pollinators enhance fruit set of crops regardless of honey bee abundance. Science. 339: 1608-1611.
Goulson D et al. 2015. Bee declines driven by combined stress from parasites, pesticides, and lack of flowers. Science. 347 https://doi.org/10.1126/science.1255957.
Klein AM et al.2007. Importance of pollinators in changing landscapes for world crops. Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences. 274: 303-313. https://doi.org/10.1098/rspb.2006.3721
Ollerton J. 2017. Pollinator diversity: distribution, ecological function, and conservation. Annual Review of Ecology, Evolution, and Systematics. 48: 353-376. https://doi.org/10.1146/annurev-ecolsys-110316-022919
Potts SG et al. 2010. Global pollinator declines: trends, impacts and drivers. Trends in Ecology and Evolution. 25: 345-353. https://doi.org/10.1016/j.tree.2010.01.007
Potts SG et al. 2016. Safeguarding pollinators and their values to human well-being. Nature. 540: 220-229. https://doi.org/10.1038/nature20588
Rader RR et al. 2016. Non-bee insects are important contributors to global crop pollination. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 113, 146-151. https://doi.org/10.1073/pnas.1517092112
Smith MR et al. 2015. Effects of decreases of animal pollinators on human nutrition and global health: a modelling analysis. Lancet. 386: 1964- 1972. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(15)61085-6
Smith TJ & Saunders ME. 2016. Honey bees: the queens of mass media, despite minority rule among insect pollinators. Insect Conservation and Diversity. 9: 384-390. https://doi.org/10.1111/icad.12178