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Tomáš Lackner – Eine Karriere im Zeichen der Stutzkäfer

Tomáš ist Entomologie-Kurator und Senior Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der ETH Zürich. Sein Karriereweg beweist, wie wissenschaftliche Aktivitäten in jungen Jahren das Berufsleben eines Menschen für immer prägen können.  Tomáš sammelt seit mehr als drei Jahrzehnten Stutzkäfer (Histeridae) und hat auf der Jagd nach Insekten die ganze Welt bereist! 

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Tomáš Lackner richtet in seiner Amsterdamer Wohnung eine Sammelbox mit aufgesteckten Insekten her.

Tomáš Lackner richtet in seiner Amsterdamer Wohnung eine Sammelbox mit aufgesteckten Insekten her. Bild: © Tomáš Lackner 

Wer ist Tomáš Lackner?

Tomáš Lackner wurde in Košice in der damaligen Osttschechoslowakei, der heutigen Slowakei, geboren. Seine Leidenschaft für die Biologie wurde schon früh geweckt – im Alter von sechs Jahren war er bereits von Aquarienfischen fasziniert. Doch seine wahre Liebe zu Käfern entflammte, als er 12 Jahre alt war, während eines Sommerlagers in der nordöstlichen Slowakei. Dort führte ihn ein Wissenschaftler in die Welt der Käfer ein, und Tomáš war sofort Feuer und Flamme. Er begann mit dem Aufbau einer eigenen Sammlung und wandte sich zur Identifizierung an Spezialisten.

Aufgrund politischer Umstände konnte Tomáš zunächst nicht sein Lieblingsfach studieren, so dass er ohne wissenschaftlichen Abschluss in einem zoologischen Museum der Universität Amsterdam in den Niederlanden arbeitete. Als er jedoch erkannte, dass die Entomologie seine wahre Berufung war, verfolgte er sie unermüdlich weiter und zog schliesslich nach Japan, um seinen Bachelor, Master und Doktortitel zu erwerben. Danach arbeitete Tomáš als Post-Doc in Prag und verbrachte mehrere Jahre in München. Heute arbeitet er als entomologischer Kurator und Senior Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der entomologischen Sammlung der ETH Zürich.

Was ist so besonders an Stutzkäfern?

Tomáš sammelt Stutzkäfer, seit er 18 Jahre alt ist, aber das Bestimmen von Insekten ist keine einfache Aufgabe. Die verfügbare Literatur reicht für Anfänger oft nicht aus. Tomáš betont, wie wichtig Mentoren in der Entomologie sind, und gibt an, dass ein Spezialist, mit dem er in seiner Jugend Kontakt aufnahm, sein Interesse verstärkte. Dieser Mentor, Aldo Olexa, teilte grosszügig sein Wissen, und je mehr Tomáš über Stutzkäfer lernte, desto mehr faszinierten sie ihn.

„Sie sind sehr anpassungsfähig“, stellt Tomáš zu Beginn seiner Erklärung fest. „Die meisten Stutzkäfer sind Raubtiere und jagen Larven verschiedener Insektenarten, darunter Borkenkäfer und Fliegen. Einige Arten leben sogar in den Nestern anderer Tiere – Schlangen, Termiten, Vögel, Säugetiere und sogar Schildkröten! Ihre Verhaltensvielfalt und Anpassungsfähigkeit werfen viele Fragen auf, die noch unbeantwortet sind. Wir verstehen ihre Ernährung noch nicht ganz – einige Arten ernähren sich sogar von Pilzen! Und es gibt noch viel mehr über ihren Lebenszyklus und ihre Larvenstadien zu erfahren. “

Fun Fact: Der Name Stutzkäfer beruht auf den charakteristischen verkürzten (“gestutzten”) Flügeldecken, die den Hinterleib (Abdomen) nicht vollständig bedecken.

Tomáš ist besonders fasziniert davon, wie sich Stutzkäfer entwickelt und an so unterschiedliche Umgebungen angepasst haben. Sein Ziel ist es, herauszufinden, ob ihre Vorfahren in offenem Gelände oder in Wäldern entstanden sind. Anhand von in Bernstein konservierten Fossilien von Stutzkäfern, von denen einige fast 100 Millionen Jahre alt sind, untersucht er ihre alte Morphologie. Zusammen mit DNA-Proben von modernen Arten arbeitet er daran, den Stammbaum dieser faszinierenden Käfergruppe zu erstellen.

Wie werden Insekten benannt?

Eine der lohnendsten Erfahrungen in der Biologie ist es, ein Gen, einen Organismus oder einen Signalweg nach sich selbst oder nach etwas Bedeutendem zu benennen. So sind zum Beispiel viele Krankheiten wie Alzheimer und Huntington nach den Ärzten benannt, die sie zuerst entdeckt haben. In der Welt der Gene werden Wissenschaftler manchmal kreativ mit Namen wie „Spätzle“ oder „Swiss Cheese“.

Wenn es um die Benennung von Insekten geht, verfolgt Tomáš einen eher wissenschaftlichen und traditionellen Ansatz. Der Schlüssel ist eine gründliche Recherche, die bestätigt, dass das Insekt einzigartig ist, um das Problem der Synonymie (dass ein Organismus zwei Namen erhält) zu vermeiden – etwas, das in der Taxonomie leider recht häufig vorkommt. Er schlägt mehrere Ansätze für die Namensgebung vor: die Beschreibung eines neuen Merkmals des Insekts in lateinischer Sprache (z. B. Procoryphaeus pilosus, da pilosus haarig oder borstig bedeutet), die Verwendung des Fundortes (z. B. könnte eine im Iran gefundene Art persicus genannt werden) oder die Ehrung eines Entomologen, der das Exemplar gesammelt hat oder ein Experte auf dem Gebiet ist (z. B. wurde eine kürzlich entdeckte Wespenart, Apenesia harrisi, nach Anthony Harris benannt, in Anerkennung seiner Expertise auf dem Gebiet der Wespenforschung).

Die neu identifizierte Art muss eindeutig von ihren Verwandten unterschieden werden, und Taxonomen liefern Beweise dafür, in der Regel durch detaillierte Fotos, Mikroskopbilder und Illustrationen. In Europa werden häufig lateinische Namen verwendet, aber in einigen asiatischen Ländern, in denen Latein und Griechisch nicht häufig unterrichtet werden, werden die Insekten oft nach der Person genannt, die das Insekt zuerst gefunden hat. Einige Arten tragen sogar Namen in lokalen Sprachen. Ein lustiges Beispiel sind Jentozkus und Tohlezkus, was auf Tschechisch so viel bedeutet wie „Probier mal dies“ und „Probier mal jenes“! 

Foto: Beispiel für ein nach Tomáš Lackner benanntes Insekt

Notagonum lackneri ist nach T. Lackner benannt, da er das Exemplar gesammelt hat (in Neuguinea).

Notagonum lackneri ist nach T. Lackner benannt, da er das Exemplar gesammelt hat (in Neuguinea). Bild: © Spixiana 

Die spannendste Expedition von Tomáš

Tomáš im Alter von 32 Jahren beim Sammeln von Insekten in einer ausgehöhlten Buche auf der Kii-Halbinsel in Westjapan.

Tomáš im Alter von 32 Jahren beim Sammeln von Insekten in einer ausgehöhlten Buche auf der Kii-Halbinsel in Westjapan. Bild: © Pawel Jałoszynski

Als Insektensammler muss man oft in abgelegene und unerforschte Regionen reisen – ein Vorteil des Jobs, den Tomáš sehr geniesst. Von allen Expeditionen, an denen er bisher teilgenommen hat, ist die in die indonesische Provinz Papua (Insel Neuguinea) die bedeutendste. Seine erste Reise dorthin führte ihn tief in das Innere der Insel, wo das Team zur Vermeidung von Malaria in hohen Lagen übernachtete, um bisher unentdeckte Insektenarten zu sammeln. Tomáš empfindet es als grosses Glück, an dieser Expedition teilgenommen zu haben, vor allem, wenn man bedenkt, wie schwierig es heute ist, staatliche Genehmigungen für solche Forschung zu erhalten. Obwohl er zahlreiche unbestimmte Arten gesammelt hat, besteht die Herausforderung darin, dass es weltweit nur sehr wenige Experten gibt, die sie genau klassifizieren können. Dennoch hat Tomáš Exemplare an Spezialisten in aller Welt geschickt und damit einen wichtigen Beitrag zur Entomologie geleistet. 

Tomáš gräbt in einer Düne in Usbekistan, um Histeridae-Käfer zu sammeln

Tomáš gräbt in einer Düne in Usbekistan, um Histeridae-Käfer zu sammeln. Bild: © Martin Perun

Wie sieht der Alltag von Tomáš aus? 

Tomas ist für die genaue Identifizierung von Käfern zuständig, berät sich mit Fachleuten und sorgt für die richtige Taxonomie und Nomenklatur. Um eine genaue Identifizierung zu erreichen, setzt er Instrumente wie Stereomikroskope und Rasterelektronenmikroskope ein. Ausserdem erstellt er immer wieder Illustrationen, um die wichtigsten Merkmale der Insekten hervorzuheben, und arbeitet mit Fotografen zusammen, um detaillierte Aufnahmen für wissenschaftliche Publikationen zu machen. Viele (junge) Sammler wenden sich häufig an Tomáš, um Hilfe bei der korrekten Identifizierung ihrer Sammlungen zu erhalten. Er betont, dass der Kontakt zu einem Spezialisten unerlässlich ist, um Insekten wirklich zu verstehen. Tomáš rät angehenden Entomologen ausserdem, jung anzufangen und sich auf eine kleine Gruppe von Insekten zu konzentrieren, um Fachwissen aufzubauen.

Autor:in

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Dr. Kaan Mika

ETH Zurich - The Biocommunication Group
Tomáš Lackner richtet in seiner Amsterdamer Wohnung eine Sammelbox mit aufgesteckten Insekten her.

Tomáš Lackner richtet in seiner Amsterdamer Wohnung eine Sammelbox mit aufgesteckten Insekten her. Bild: © Tomáš Lackner 

Dr. Tomáš Lackner

ETH Biocommunication Group

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