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Klimaerwärmung verändert die Insektenfauna in der Schweiz

Weltweit wird über einen Rückgang der Insektenfauna berichtet. Das Projekt INSECT hat untersucht, wie sich die Verbreitung von 390 Insektenarten in der Schweiz in den letzten 40 Jahren verändert hat – und welche Rolle Klima- und Landnutzungswandel dabei spielen.

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Eine extensiv bewirtschaftete Wiese, die in landwirtschaftlich geprägten Landschaften wichtigen Lebensraum für vielfältige Insektengemeinschaften bietet.

Eine extensiv bewirtschaftete Wiese, die in landwirtschaftlich geprägten Landschaften wichtigen Lebensraum für vielfältige Insektengemeinschaften bietet. Bild: © Agroscope, INSECT project

Verschiedene Studien im In- und Ausland geben Anlass zur Sorge, dass die Insektenfauna stark unter dem Klima- und Landnutzungswandel leidet («Insektensterben»). Deshalb haben die Forschungsinstitute Agroscope, WSL, FiBL sowie die Schweizerische Vogelwarte Sempach und das Schweizerische Informationszentrum für die Fauna «info fauna» das Projekt INSECT ins Leben gerufen. Im Rahmen dieser Forschungsinitiative analysieren wir, weshalb und nach welchem Muster sich die Verbreitung der Insektenfauna in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten verändert hat.

Veränderung in der Verbreitung von 390 Insektenarten

Dazu werteten wir 1,5 Millionen Art-Meldungen aus, die insektenkundige Laien und Fachleute seit 1980 zum Vorkommen von Tagfaltern, Heuschrecken und Libellen schweizweit erhoben haben. Für 215 Tagfalterarten, 103 Heuschreckenarten und 72 Libellenarten konnten so Veränderungen in der Verbreitung über die letzten 40 Jahre rekonstruiert werden. Die Resultate zeigen: In der Schweiz gibt es bei den untersuchten Insektenarten sowohl Gewinner als auch Verlierer. Jene Arten, die sich am stärksten ausgebreitet haben, konnten ihren Lebensraum im Schnitt um über 70% vergrössern. Jene Arten, die am stärksten zurückgingen, verloren im Schnitt knapp 60% ihres Verbreitungsgebiets. Zur Menge (Biomasse) der beobachteten Insekten machen wir in dieser Studie allerdings keine Aussage.

Agroscope-Forschende bei der wöchentlichen Leerung der Bodenfallen, mit denen Laufkäfer- und Spinnengemeinschaften beprobt werden.

Agroscope-Forschende bei der wöchentlichen Leerung der Bodenfallen, mit denen Laufkäfer- und Spinnengemeinschaften beprobt werden. Bild: © Agroscope, INSECT project

Seltene Arten gehen weiter zurück

An Boden verloren insbesondere spezialisierte, kälteliebende Arten aus den Voralpen und Alpen. Beispiele sind der Hochalpen-Perlmuttfalter (Boloria pales) oder die Zweifleck-Dornschrecke (Tetrix bipuncata), welche beide in mittleren bis hohen Lagen anzutreffen sind. Arten und Lebensräume der Alpen brauchen darum besonderen Schutz. Gleichzeitig konnten wärmeliebende Arten aus dem Tiefland ihre Verbreitungsgebiete erhalten oder ausweiten. Beispiele sind die Feuerlibelle (Crocothemis erythraea) oder der Malven-Dickkopffalter (Carcharodus alceae). Dies hat zur Folge, dass seltene Arten noch seltener wurden und bereits verbreitete Arten ihren Lebensraum ausweiteten. Die Resultate deuten zudem auf eine Trendwende hin: Waren bis anhin Lebensraumverluste und die Landnutzungsänderungen die Hauptgründe für das lokale Verschwinden von Insektenarten, hat mittlerweile ebenso die Klimaerwärmung einen grossen Einfluss auf die Insektenfauna der Schweiz.

Klimaerwärmung erklärt Veränderungen

Die Kombination von zwei Faktoren – Klima- und Landnutzungswandel – kann für die Insektenfauna speziell ungünstig sein. Dafür fanden wir zahlreiche Indizien. Zum Beispiel scheint sich die Intensivierung der Grünlandnutzung bei zunehmender Sommertrockenheit besonders negativ auf Insekten auszuwirken. Solche Wechselwirkungen können auch in Zukunft zu unvorhergesehenen Entwicklungen in der Verbreitung von Insektenarten führen. Statistisch lässt sich über die vergangenen 40 Jahre hauptsächlich die Klimaerwärmung direkt mit den beobachteten, langfristigen Veränderungen der Insektenfauna in der Schweiz verknüpfen (Zunahme der mittleren Temperatur um fast 2°C über den untersuchten Zeitraum). Wir erwarten deshalb, dass sich die Insektenpopulationen mit der fortschreitenden Klimaerwärmung weiter grossflächig verändern werden. 

Weitere Untersuchungen geplant

Diese Analysen gaben erste Einblicke in die Veränderungen der untersuchten Insektenarten über die letzten Jahrzehnte. Es bleiben aber noch Lücken, was unser Verständnis zum Zustand der Insektenfauna in der Schweiz angeht. Zum Beispiel haben in der Schweiz schon vor 1980 grosse Veränderungen, gerade was die landwirtschaftliche Landnutzung angeht, stattgefunden. In einem weiteren Schritt wollen wir Veränderungen in der Verbreitung ausgewählter Insektenarten über einen längeren Zeitraum rekonstruieren. Ausserdem wollen wir weitere Insektengruppen anschauen, da unterschiedliche Gruppen erfahrungsgemäss unterschiedlich auf Klima- und Landnutzungsänderungen reagieren. 

Quellen

Neff F et al. 2022. Different roles of concurring climate and regional land-use changes in past 40 years' insect trends. Nat Commun 13;7611. https://doi.org/10.1038/s41467-022-35223-3

Autor:in

Felix Neff

Dr. Felix Neff

Agroscope

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