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Wie Biber Insektengemeinschaften beeinflussen

Biber verändern Landschaften und schaffen Lebensräume, die sich auf die Biodiversität – einschliesslich der Insekten – auswirken. Aber fördern sie die Insektenvielfalt, oder ist der Einfluss komplexer?

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Ein Biber schwimmt durch den Fluss und hinterlässt sanfte Wellen im Wasser.

Ein Biber schwimmt durch den Fluss und hinterlässt sanfte Wellen im Wasser. Bild: Adobe Stock

Biber in Europa

Biber (Castor sp.) sind grosse, halbaquatische Nagetiere, die auf der gesamten Nordhalbkugel verbreitet sind. Es gibt zwei Arten: den Europäischen Biber (Castor fiber) und den Kanadischen Biber (Castor canadensis). Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Biberpopulation in Europa durch Jagd auf etwa 1200 Tiere geschrumpft. Dank umfangreicher Schutzmassnahmen konnte sich der Bestand jedoch erholen, und heute leben Biber wieder in Süsswasser- und Waldhabitaten in ganz Europa. Der Europäische Biber ist in den meisten Teilen Europas heimisch – mit Ausnahme von Finnland, wo 1937 der Kanadische Biber eingeführt wurde.

Ein Weidenstamm auf einer kleinen Rheininsel in der Schweiz mit deutlichen Bissspuren von Bibern.

Ein Weidenstamm auf einer kleinen Rheininsel in der Schweiz mit deutlichen Bissspuren von Bibern. Bild: Wikimedia Commons/Latschari, CC License

Ökosystem-Ingenieur

Biber gelten als Ökosystem-Ingenieure – Arten, die ihre Umgebung so verändern, dass sie viele andere Organismen beeinflussen. Ihre Auswirkungen sind oft sichtbarer als die Tiere selbst. Auch wenn Biber eher scheu sind, verraten angenagte Baumstümpfe, gefällte Baumstämme und komplizierte Dämme aus Holz, Steinen und Schlamm ihre Anwesenheit.

Festgehalten mit der Nachtsichtkamera: Ein Biber geht seinen Geschäften nach Einbruch der Dunkelheit nach. Video: © Christian Ransborg

Biber gestalten ihren Lebensraum auf vielfältige Weise. Wenn sie sich in einem Gebiet ansiedeln,  fällen sie Bäume, leiten Wasserläufe um, und es sammelt sich stehendes und liegendes Totholz in unterschiedlichen Verwesungsstadien an. Diese Veränderungen beeinflussen die gesamte Hydrologie eines Gebiets und schaffen Feuchtgebiete, die Ressourcenverfügbarkeit und Habitatstrukturen für zahlreiche Arten verändern. Durch diesen Wandel entstehen neue ökologische Nischen, während sich andere verschlechtern, wodurch sich die Attraktivität des Gebiets für verschiedene Arten verändert.

Ein Biberdamm in Klosterheden, Dänemark.

Ein Biberdamm in Klosterheden, Dänemark. Bild: © Christian Ransborg

Natürliche Sukzession

Die natürliche Sukzession beschreibt den Prozess, bei dem sich ein Ökosystem im Laufe der Zeit verändert. In Biber-Feuchtgebieten findet diese Entwicklung während und nach der Anwesenheit der Biber statt. Überschwemmungen treten auf, wenn Biber ein Gebiet bewohnen, und zwar oft während ihrer gesamten Anwesenheit. Wenn Biber das Gebiet verlassen und ihre Dämme zerfallen, sinkt der Wasserspiegel und legt den nackten Boden frei. Bald besiedeln Seggen und Gräser dieses Land; sobald es noch mehr austrocknet, folgen Sträucher und Jungbäume, und schliesslich Bäume, die das einst überschwemmte Biber-Feuchtgebiet in einen Wald verwandeln. Diese natürliche Sukzession schafft dynamische Umgebungen, in denen je nach Sukzessionsstadium bestimmte Nischen entstehen und andere verschwinden.

Biber und Biodiversität

Zahlreiche Studien belegen die tiefgreifenden Auswirkungen von Bibern auf andere Arten. Biber-Feuchtgebiete beherbergen eine grössere Artenvielfalt von Wasservögeln als Gebiete ohne Biber. Auch Fledermäuse profitieren von der Anwesenheit von Bibern – vermutlich wegen des erhöhten Insektenangebots, das ihre Hauptnahrung darstellt.

Zwei Biber in der Nähe eines natürlichen Damms in Denver, Colorado. Video: © Kat Enid

Biber und Insekten – eine komplexe Beziehung

Da Biber Landschaften verändern, liegt die Frage nahe: Steigert ihre Aktivität die Insektenvielfalt? Die Forschung zeigt, dass dies vom jeweiligen Insektentyp und Habitat abhängt. Die meisten Studien sind sich einig, dass sich Insektengemeinschaften in Biber-Feuchtgebieten von denen in frei fliessenden Gewässern unterscheiden. Manche Studien zeigen tatsächlich eine Zunahme bestimmter Insektenarten in Biberhabitaten, andere jedoch zeigen keine oder sogar negative Effekte.

Der Erlen-Zackenrandspanner (Ennomos alniaria) profitiert von der Anwesenheit von Bibern.

Der Erlen-Zackenrandspanner (Ennomos alniaria) profitiert von der Anwesenheit von Bibern.
Bild: © Christian Ransborg

Aquatische Insekten

Die meisten Studien konzentrieren sich auf die Auswirkungen des Bibers auf die Gemeinschaft der aquatischen Wirbellosen. Viele Studien berichten, dass frei fliessende Gewässer eine höhere Artenvielfalt aquatischer Insekten aufweisen als Biber-Feuchtgebiete. Auf Landschaftsebene tragen von Bibern erzeugte Teiche jedoch zur Steigerung der Gesamtvielfalt bei, da sie eine grössere Habitatvielfalt schaffen.

Einige aquatische Insekten, wie Schwimmkäfer, profitieren von Biber-Feuchtgebieten. Eine finnische Studie ergab, dass sowohl Häufigkeit als auch Vielfalt von Schwimmkäfern in Biberteichen höher waren als in Teichen ohne Biber. Auch Arten wie die Wasserassel (Asellus aquaticus), ein generalistischer Krebs, profitieren von der Störung durch Biber.

Ein Schwimmkäfer (Dytiscidae sp.), ein schneller Räuber, aus einem finnischen Feuchtgebiet mit Bibervorkommen.

Ein Schwimmkäfer (Dytiscidae sp.), ein schneller Räuber, aus einem finnischen Feuchtgebiet mit Bibervorkommen. Bild: © Line Holm Andersen

Terrestrische Insekten

Der Einfluss des Bibers geht über das Wasser hinaus und wirkt sich auch auf terrestrische Insektenpopulationen aus. Die anfängliche Überflutung eines Gebiets wird sich wahrscheinlich nachteilig auf zahlreiche Arten auswirken, die nicht an die Überflutung angepasst sind, aber andere Arten werden während der verschiedenen Sukzessionsstadien gedeihen.

Ein gutes Beispiel für den positiven Effekt von Bibern auf die terrestrische Biodiversität ist der Falter Neonympha mitchellii francisci (St. Francis’ satyr butterfly) in Nordamerika. Diese Schmetterlingsart ist auf Seggen (Carex sp.), grasähnliche Pflanzen, als Wirtspflanzen für ihre Raupen angewiesen. In Biberhabitaten wuchsen mehr Seggen als in Feuchtgebieten ohne Biber – und die höhere Anzahl an Seggen korrelierte deutlich mit der Populationsgrösse des Falters.

Eine dänische Studie zeigte zudem, dass die Artenvielfalt und -zahl von Nachtfaltern in Biberhabitaten höher war. Diese Gebiete waren auch vielfältiger und grüner als solche ohne Biber. Weitere Studien aus Finnland und Nordamerika belegen zudem, dass Borkenkäfer (Scolytinae) in Biber-Feuchtgebieten zahlreicher sind.

Biber in der Schweiz

Seit den Wiederansiedlungen ab den 1950er-Jahren leben heute rund 4 900 Biber in der Schweiz. Sie gelten nicht mehr als gefährdet, sind aber weiterhin geschützt. Der Einfluss von Bibern auf aquatische und terrestrische ökologische Netzwerke wird auch in der Schweiz erforscht (weitere Informationen hier).

Bibervorkommen in der Schweiz.

Bibervorkommen in der Schweiz. Bild: Infofauna

Für mehr Informationen über Biber in der Schweiz besuchen sie Infofauna.

Insgesamt spielen Biber eine bedeutende Rolle in Süsswasserökosystemen: Sie stören bestehende Strukturen, schaffen neue Lebensräume und verändern so auch Insektengemeinschaften. Die Auswirkungen variieren je nach Art: Manche Insektenarten profitieren von den geschaffenen Nischen, andere verschwinden. Durch ihr Wirken als Ökosystem-Ingenieure tragen Biber auf komplexe und oft überraschende Weise zur Biodiversität bei.

Quellen

Andersen, Line Holm, et al. "Can reintroduction of beavers improve insect biodiversity?." Journal of Environmental Management 337 (2023): 117719.

Andersen, Line Holm, Petri Nummi, and Simon Bahrndorff. "Can beavers help improve terrestrial invertebrate diversity?." Frontiers in Ecology and Evolution 12 (2024): 1396207.

Bartel, Rebecca A., Nick M. Haddad, and Justin P. Wright. "Ecosystem engineers maintain a rare species of butterfly and increase plant diversity." Oikos 119.5 (2010): 883-890.

Law A et al.2016 Habitat engineering by beaver benefits aquatic biodiversity and ecosystem processes in agricultural streams. Freshwater Biology 61;4:486-499.

Mourant, A., N. Lecomte, and G. Moreau. "Indirect effects of an ecosystem engineer: How the Canadian beaver can drive the reproduction of saproxylic beetles." Journal of Zoology 304.2 (2018): 90-97.

Nummi, Petri, et al. "The beaver facilitates species richness and abundance of terrestrial and semi-aquatic mammals." Global Ecology and Conservation 20 (2019): e00701.

Nummi, Petri, et al. "Bats benefit from beavers: a facilitative link between aquatic and terrestrial food webs." Biodiversity and Conservation 20 (2011): 851-859.

Nummi, Petri, et al. "Beaver creates early successional hotspots for water beetles." Biodiversity and Conservation 30.10 (2021): 2655-2670.

Washko, Susan, Nigel Willby, and Alan Law. "How beavers affect riverine aquatic macroinvertebrates: a review." PeerJ 10 (2022): e13180.

Autor:in

Line Holm Andersen

Dr. Line Holm Andersen

Aalborg University, Denmark

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