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Umwelt-DNA – Aufspüren von Hemlock-Wollschildläusen und anderen invasiven Arten

Exotische Arten, die in neue Ökosysteme eindringen, können in der heimischen Umwelt verheerende Schäden anrichten. Im Kampf gegen diese Schädlinge hat sich die Umwelt-DNA (eDNA) als wertvolles Instrument zur Erkennung von Befall und zur Ermöglichung rechtzeitiger, wirksamer Interventionen erwiesen.

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Nahaufnahme einer Kanadischen Hemlocktanne, die von Hemlock-Wollschildläusen befallen ist.

Nahaufnahme einer Kanadischen Hemlocktanne, die von Hemlock-Wollschildläusen befallen ist. Sind weisse wollige Strukturen sichtbar, ist es möglicherweise zu spät, die Bäume zu retten. Bild: Adobe Stock

Steckbrief

  • Die erwachsene Hemlock-Wollschildlaus ist winzig und misst etwa 1 mm in der Länge.
  • Sie hat eine ovale Form und ist braun gefärbt.
  • Mit ihrem Saugrüssel, der dreimal so lang wie ihr Körper ist, kann sie Wirtspflanzen zur Nahrungsaufnahme anstechen.
  • Die Gelege der Hemlock-Wollschildlaus sehen aus wie kleine Baumwollbüschel an der Unterseite von Zweigen des Wirtsbaums.

Systematik

Reich
Tiere (Animalia)
Stamm
Giederfüsser (Arthropoda)
Klasse
Insekten (Insecta)
Ordnung
Schnabelkerfe (Hemiptera)
Familie
Adelgidae
Gattung
Adelges
Art
Hemlock-Wollschildläusen (A. tsugae)

Was ist das Problem? 

Die winzige Hemlock-Wollschildlaus (hemlock woolly adelgid, HWA) bedroht die Kanadische Hemlocktanne (Tsuga canadensis), einen grossen Baum, der im gesamten östlichen Nordamerika weit verbreitet ist. Die HWA wurde versehentlich aus Asien nach Nordamerika eingeschleppt. Sie ernährt sich von den Knoten, aus denen die nadelförmigen Blätter herauswachsen. Dadurch wird der Nährstofffluss gestört, und die hoch aufragenden Baumriesen sterben, oft innerhalb von 4 bis 10 Jahren. 

Warum ist die HWA so zerstörerisch? 

Die HWA wurde erst vor etwa 100 Jahren in den Osten der USA eingeschleppt, und die dort heimischen Populationen von Kanadischen Hemlocktannen haben noch keine Resistenzmechanismen entwickelt, um diesen Befall zu bekämpfen. Die Insekten sind so klein, dass sie vom Wind verbreitet oder von Vögeln transportiert werden können, was ihre Ausbreitung begünstigt. Ihre Fortpflanzungsstrategie verschärft das Problem: Sie vermehren sich ungeschlechtlich und legen Eier, aus denen genetisch identische Klone entstehen. Ein einziges HWA-Individuum kann so eine neue Population von Tausenden gründen. Erschwerend kommt hinzu, dass HWA im östlichen Nordamerika keine natürlichen Fressfeinde haben, die ihr Populationswachstum und ihre Ausbreitung eindämmen könnten.

Hemlock-Wollschildlaus an der Basis von Hemlocktannennadeln.

Hemlock-Wollschildlaus am Ansatz von Hemlocktannennadeln. Bild: © NYSHI 

Was können wir dagegen tun? 

Zunächst müssen wir HWA frühzeitig erkennen können. Je früher ein Befall identifiziert wird, desto wirkungsvoller sind die Gegenmassnahmen. Nach der Identifizierung kann eine Strategie des integrierten Pflanzenschutzes umgesetzt werden, die den Einsatz von Insektiziden und biologischer Bekämpfung umfasst. Systemische* Insektizide sind wichtige Werkzeuge in der Bekämpfung von HWA, jedoch sind sie teuer und lassen sich nur schwer in grossen, abgelegenen Gebieten einsetzen. Bei der biologischen Bekämpfung werden spezialisierte Räuber in die befallenen Gebiete ausgesetzt, wo sie die Schädlingspopulationen kontrollieren können. Diese Räuber zur biologischen Bekämpfung wurden untersucht, um sicherzustellen, dass sie sich ausschliesslich von Adelgidenarten ernähren und keine unbeabsichtigten Auswirkungen auf das Ökosystem haben.

Vier Arten – zwei Käfer (Laricobius nigrinus und Laricobius osakensis) und zwei Blattlausfliegen (Leucotaraxis argenticollis und Leucotaraxis piniperda) – werden derzeit zur biologischen Bekämpfung von HWA freigesetzt. Die Freisetzung von biologischen Bekämpfungsmitteln erfolgt derzeit in mehreren US-Bundesstaaten durch Organisationen an Universitäten sowie durch staatliche Organisationen wie den USDA Forest Service. Nach der Freisetzung müssen die Räuber regelmässig überwacht werden, um ihre Etablierung zu evaluieren. 

Aussetzen von Blattlausfliegen auf Kanadischen Hemlocktannen, die von Hemlock-Wollschildläusen befallen sind.

Aussetzen von Blattlausfliegen auf Kanadischen Hemlocktannen, die von Hemlock-Wollschildläusen befallen sind. Bild: © NYSHI

Frühzeitige Erkennung von HWA mit molekularen Werkzeugen 

Während HWA leicht an ihren charakteristischen weissen, wolligen Absonderungen zu erkennen sind, ist die Suche nach frühen Befallsstadien und ihre korrekte Identifizierung äusserst mühsam. Es ist wie die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen – In einem grossen Waldbestand gibt es in der Frühphase des Befalls möglicherweise nur wenige Individuen. Doch Umwelt-DNA (eDNA) bietet eine revolutionäre Alternative!

Der Begriff eDNA bezeichnet kleine DNA-Fragmente, die von Organismen über abgestorbene Hautzellen, Kot, Schleim usw. in ihre Umgebung abgegeben werden. Forschende der New York State Hemlock Initiative an der Cornell University (NYSHI) haben ein eDNA-basiertes Verfahren entwickelt, mit dem die HWA-Nachweisrate von 23 % mit herkömmlichen Methoden auf 90 % mit eDNA-basierten Methoden verbessert werden konnte! Bei diesem Verfahren werden Zweige der Hemlocktannen gespült, um die gesamte eDNA abzuwaschen, anschliessend wird das Spülwasser gefiltert, um das genetische Material zu sammeln. Danach wird die DNA aus den Filtern extrahiert und mittels qPCR* (quantitative Polymerase-Kettenreaktion) auf HWA-spezifische DNA getestet. Das qPCR-Verfahren ermöglicht, ähnlich wie PCR-Tests für COVID-19, eine frühzeitige Erkennung des Befalls und erhöht damit die Chancen auf ein wirksames Eingreifen. Die eDNA-Analyse ist skalierbar und kosteneffizient und damit ideal für die Untersuchung grosser Waldgebiete. 

Arbeitsablauf zum Nachweis von HWA mittels eDNA-Analyse.

Arbeitsablauf zum Nachweis von HWA mittels eDNA-Analyse. Bild: © Anish Kirtane

Neben HWA kann die eDNA-Analyse auch zur Verfolgung anderer invasiver Arten wie der Gepunkteten Laternenträgerzikade und der Marmorierten Baumwanze oder zur Überwachung der Etablierung von freigesetzten biologischen Bekämpfungsmitteln wie Raubkäfern und Blattlausfliegen eingesetzt werden. Mit fortschrittlichen Techniken wie dem Metabarcoding*  können ganze Gruppen von Organismen wie Fische, Wirbellose, Pflanzen oder sogar alle Metazoen (vielzellige Tiere) identifiziert werden, was eine umfassende Beurteilung der biologischen Vielfalt auf skalierbare und nicht-invasive Weise ermöglicht. 

Danksagungen 

Wir danken Dr. Tonya Bittner vom NYSHI für ihre nützlichen Kommentare zu einem Entwurf dieses Artikels.

Glossar*

Metabarcoding: Mit dieser Methode können Forschende die DNA mehrerer Arten in einer einzigen Umweltprobe (z. B. Boden oder Wasser) analysieren, um Organismen anhand ihres genetischen Materials, der so genannten Umwelt-DNA (eDNA), zu identifizieren.

qPCR: Eine molekularbiologische Methode, die die Amplifikation und Quantifizierung einer Ziel-DNA-Sequenz kombiniert. 

Systemische Insektizide: Insekten abtötende Chemikalien, die von Pflanzen absorbiert und durch ihr Gewebe transportiert werden, um sie vor Schädlingen zu schützen, die sich von ihnen ernähren.

Quellen

Kirtane A et al. 2022. Sensitive environmental DNA (eDNA) methods to detect hemlock woolly adelgid and its biological control predators Leucotaraxis silver flies and a Laricobius beetle. Environmental DNA, 4;5:1136-1149. https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1002/edn3.317 

Autor:in

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Dr. Anish Kirtane

ETH Zurich

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