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Die Kirschessigfliege – Ein winziges Insekt, ein grosses Problem und eine natürliche Lösung

Drosophila suzukii sticht gesundes Obst an, um ihre Eier abzulegen, was zu erheblichen Schäden an Beeren und Kirschen führt. Traditionelle Bekämpfungsmethoden scheitern oft, aber Forschende untersuchen eine natürliche Lösung – die Einführung einer spezialisierten parasitoiden Wespe, um diesen invasiven Schädling in Schach zu halten. Kann die Natur helfen, das Gleichgewicht wiederherzustellen?

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Zwei männliche Kirschessigfliegen (Drosophila suzukii) auf einer Beere.

Zwei männliche Kirschessigfliegen (Drosophila suzukii) auf einer Beere. Bild: Adobe Stock

Systematik

Reich
Tiere (Animalia)
Stamm
Gliederfüsser (Arthropoda)
Klasse
Insekten (Insecta)
Ordnung
Zweiflügler (Diptera)
Familie
Taufliegen/Fruchtfliegen (Drosophilidae)
Gattung
Drosophila
Art
Kirschessigfliege (D. Suzukii)

Die Kirschessigfliege mit dem wissenschaftlichen Namen Drosophila suzukii ist eine Taufliege, die ursprünglich aus Ostasien stammt und sich auf westliche Regionen Asiens, Nordamerika, Südamerika, Europa und Afrika ausgebreitet hat. Sie wurde erstmals 2008 in Europa nachgewiesen und hat sich rasch auf dem Kontinent etabliert, mit dem ersten Fund in der Schweiz im Jahr 2011. 

Männliche (links) und weibliche (rechts) Drosophila suzukii.

Männliche (links) und weibliche (rechts) Drosophila suzukii. Bild: Wikimedia Commons / Shane F. McEvey, Australian Museum, CC-Lizenz

Im Gegensatz zu den meisten anderen Fruchtfliegen der Gattung Drosophila, die vor allem verrottendes Obst ansteuern, haben die Weibchen von D. suzukii eine Geheimwaffe: Ein sägeähnliches Eiablageorgan, mit dem sie die Haut von reifen, unbeschädigten Früchten durchstechen können, um ihre Eier darin abzulegen. Sobald die Larven schlüpfen, fressen sie das Fruchtfleisch und zerstören so Ernten wie Kirschen, Erdbeeren, Himbeeren, Blaubeeren und Brombeeren. Mit über 100 verschiedenen Wirtspflanzen ist die Kirschessigfliege ein Albtraum für die Landwirtschaft!

Eine weibliche Kirschessigfliege legt Eier auf einer Kirsche ab.

Eine weibliche Kirschessigfliege legt Eier auf einer Kirsche ab. Bild: © CABI/Tim Haye

Traditionelle Methoden stossen an ihre Grenzen 

Insektizide sind gegen Kirschessigfliegen oft nicht wirksam, weil sich die Larven im Inneren der Früchte verstecken und somit vor oberflächlichen Anwendungen wie Sprays geschützt sind. Andere Bekämpfungsoptionen – wie Netze, Massenfallen, Repellentien oder Hygienemassnahmen – können lokal wirken, aber nicht in grossem Massstab ausserhalb landwirtschaftlicher Flächen angewendet werden. Dadurch werden die Obstkulturen immer wieder von den umliegenden Wildfrüchten neu infiziert.

Einige Landwirte lassen Trauben in Gazebeuteln wachsen, um zu verhindern, dass D. suzukii Eier ablegt.

Einige Landwirte lassen Trauben in Gazebeuteln wachsen, um zu verhindern, dass D. suzukii Eier ablegt. Bild: Adobe Stock

Ein natürlicher Feind als Retter? 

Eine alternative Bekämpfungsmethode ist die biologische Kontrolle, bei der lebende Organismen zur Bekämpfung von Schädlingen eingesetzt werden. Eine Methode, die sogenannte "augmentative biologische Kontrolle", besteht darin, vorübergehend und lokal die Population eines nützlichen Organismus, der bereits in der Umgebung vorhanden ist, zu vergrössern. In Italien wurde gezeigt, dass Massenfreisetzungen der parasitoiden Wespe Trichopria drosophilae, die Puppen der Kirschessigfliege angreift, helfen können, die Fliegenpopulation zu verringern. Allerdings müssen die Freisetzungen jedes Jahr wiederholt werden, sind relativ teuer und nur lokal wirksam.

Nachhaltige Langzeitlösungen, die grossflächig effektiv sind und keine zusätzlichen Kosten für die bereits betroffenen Obstbauern verursachen, werden dringend benötigt. Eine Möglichkeit ist die klassische biologische Kontrolle: die Einführung und dauerhafte Etablierung eines natürlichen Feindes aus dem Ursprungsgebiet des Schädlings, um den Schädling in allen Lebensräumen zu bekämpfen, in denen er vorkommt. Um jedoch Auswirkungen auf einheimische Arten zu vermeiden, müssen vor der Einführung Risikobewertungen durchgeführt werden, ein Prozess, der in der Regel 7–10 Jahre dauert.

Ein Durchbruch im Kampf gegen D. suzukii

Die parasitoide Wespe Ganaspis kimorum ist ein natürlicher Feind von Drosophila suzukii.

Die parasitoide Wespe Ganaspis kimorum ist ein natürlicher Feind von Drosophila suzukii. Bild: CABI/Koïchi Beltrando

Seit 2015 suchen Forschende nach natürlichen Feinden der Kirschessigfliege in Asien, ihrem Herkunftsgebiet. Sie identifizierten einen vielversprechenden Kandidaten, die parasitoide Wespe Ganaspis kimorum, die speziell D. suzukii Larven angreift. Nach jahrelangen sorgfältigen Studien in Quarantänelaboren – unter anderem am Schweizer Zentrum der gemeinnützigen Organisation CABI – um sicherzustellen, dass sie keine einheimischen Arten schädigt, wurden ab 2021 Freisetzungen von G. kimorum in den USA und Italien sowie ab 2023 in Frankreich und Israel durchgeführt – die Etablierung von G. kimorum in Italien wurde bereits bestätigt. In der Schweiz wurde 2022 ein Antrag zur Freisetzung von G. kimorum beim Bundesamt für Umwelt eingereicht. Aufgrund von komplexen rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Schweizer Freisetzungsverordnung wurden 2023 jedoch nur experimentelle Freisetzungen in den Kantonen Jura und Tessin genehmigt.

Mit der immer grösser werdenden Zahl invasiver Arten ist es wichtig, effiziente Managementlösungen zu finden, die einheimische Arten nicht gefährden und so schnell wie möglich umgesetzt werden können, um die Auswirkungen invasiver Arten auf die Nahrungsmittelproduktion und die Umwelt zu verringern. Die klassische biologische Kontrolle bietet ein mächtiges Werkzeug zum Schutz von Kulturen und Ökosystemen. Die Situation in der Schweiz zeigt, dass Länder, um das volle Potenzial auszuschöpfen, Wege finden müssen, Sicherheit und Effizienz auszubalancieren und sicherzustellen, dass Landwirte die Werkzeuge haben, die sie benötigen, um gegen invasive Arten zu kämpfen, bevor der Schaden zu gross wird.

Quellen

Seehausen ML et al. 2020. Evidence for a cryptic parasitoid species reveals its suitability as a biological control agent. Scientific reports 5;10(1):19096. https://doi.org/10.1038/s41598-020-76180-5 

Seehausen ML et al. 2022. Large-arena field cage releases of a candidate classical biological control agent for spotted wing drosophila suggest low risk to non-target species. Journal of Pest Science 95;3:1057-65. https://doi.org/10.1007/s10340-022-01487-3 

Stahl JM et al. 2024. Ganaspis kimorum (Hymenoptera: Figitidae), a promising parasitoid for biological control of Drosophila suzukii (Diptera: Drosophilidae). Journal of Integrated Pest Management 15;1:44. https://doi.org/10.1093/jipm/pmae036

Haye T et al. 2016. Current SWD IPM tactics and their practical implementation in fruit crops across different regions around the world. Journal of pest science 89:643-51. https://doi.org/10.1007/s10340-016-0737-8 

Autor:in

Lukas 2

Dr. Lukas Seehausen

CABI Delémont

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