Käferlarven: Winzige Insekten mit Potenzial zur Bekämpfung des Plastikproblems
Die Larven einer in Afrika beheimateten Alphitobius-Käferart sind erstaunlicherweise in der Lage Polystyrol zu fressen, einen der häufigsten Plastikschadstoffe. Forschende untersuchen, wie diese Insekten und ihre Darmbakterien Plastik abbauen können, was einen Durchbruch für nachhaltiges Abfallmanagement bedeuten könnte.

Larven einer Alphitobius-Käferart beim Fressen von Polystyrolschaum. Bild: © International Centre of Insect Physiology and Ecology
Systematik
- Reich
- Tiere (Animalia)
- Stamm
- Gliederfüsser (Arthropoda)
- Klasse
- Insekten (Insecta)
- Ordnung
- Käfer (Coleoptera)
- Familie
- Schwarzkäfer (Tenebrionidae)
- Gattung
- Alphitobius
- Art
Weltweit werden jährlich mehr als 400 Millionen Tonnen Plastik produziert, aber weniger als 10 % davon werden recycelt. Schätzungsweise 19–23 Millionen Tonnen landen in Gewässern. Plastikabfälle können giftige Chemikalien enthalten, die Wasser verschmutzen, die Bodenqualität verschlechtern, Ökosysteme stören und wichtige Prozesse wie Nährstoffkreislauf, Bodenbildung und -erosion beeinflussen. Diese Chemikalien können auch die Biodiversität reduzieren und schliesslich in die Nahrungskette gelangen. Plastikverschmutzung ist ein globales Problem, da Plastik auf natürliche Weise nur sehr langsam abgebaut wird. Zudem zerfällt Plastik oft in Mikroplastik, winzige Partikel, die Wildtiere schädigen und ebenfalls in die Nahrungskette gelangen können. Die Entdeckung, dass eine afrikanische Alphitobius-Art Plastik konsumieren kann, eröffnet vielversprechende Möglichkeiten für innovative Lösungen im Plastikabfallmanagement.
Die Larve von Alphitobius sp.
Alphitobius sp. (die genaue Art ist noch nicht identifiziert) ist ein in Kenia endemischer Schwarzkäfer. Seine Larven, die an Mehlwürmer erinnern , kommen häufig in Geflügelfarmen und Hühnerställen vor und gelten als Lagerschädlinge, da sie sich von Getreide und organischen Abfällen ernährten. Einige Arten von Mehlwürmern (wie Tenebrio molitor) haben ebenfalls die Fähigkeit, Plastik zu fressen. Forschende des International Centre of Insect Physiology and Ecology (icipe) haben kürzlich entdeckt, dass die Larven von Alphitobius sp. Polystyrol zersetzen können – eine der am weitesten verbreiteten Kunststoffarten, die sich zunehmend sowohl an Land als auch im Wasser schnell ansammelt.
Larven von Alphitobius sp. beim Fressen von Plastik. Video: © International Centre of Insect Physiology and Ecology
Polystyrol kann von den meisten Lebewesen nicht verdaut werden. Doch die Larven von Alphitobius sp. scheinen einen geheimen Helfer zu haben: ihr Darmmikrobiom. Es besteht aus Mikroorganismen wie Bakterien, die beim Abbau von Nahrung helfen. Forschende am icipe fanden heraus, dass die Larven wochenlang ausschliesslich von Polystyrol leben können – auch wenn sie nach wie vor ihre natürliche Nahrung (Weizenkleie und organische Abfälle) bevorzugen.
Während die Larven Polystyrol verzehren, könnten ihre Darmbakterien eine Rolle dabei spielen, das Plastik in kleinere Verbindungen zu zerlegen, die anschliessend sicher ausgeschieden werden können. Die erste Forschungsphase hat bestätigt, dass die Larven Polystyrol konsumieren können, und lieferte zudem Hinweise darauf, dass ihr Darmmikrobiom Bakterien wie Kluyvera, Klebsiella und Lactococcus enthält – Gattungen, die bereits zuvor mit dem Abbau von Polystyrol in Verbindung gebracht wurden. Weitere Studien laufen derzeit, um zu untersuchen, inwieweit das Darmmikrobiom tatsächlich am Verdauungs- bzw. Abbauprozess beteiligt ist, welche Bakterienarten involviert sind, welche Enzyme für den Abbau verantwortlich sind und ob die dabei entstehenden Verbindungen unbedenklich sind.
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Mögliche Anwendungen
Polystyrolabfälle stammen hauptsächlich aus seiner gebräuchlichsten kommerziellen Form – dem Polystyrolschaum (bekannt als Styropor). Dieses Material wird weit verbreitet für Lebensmittelverpackungen, Transportverpackungen und Dämmstoffe im Bauwesen verwendet. Die derzeitigen Recyclingmethoden für Polystyrol – darunter chemische, thermische und mechanische Verfahren – sind teuer und setzen toxische Verbindungen frei, die schädlich für Mensch, Umwelt und Biodiversität sind. Daher ist der Einsatz der Larve von Alphitobius sp. in einer nachhaltigen Abfallbewirtschaftung wünschenswert und könnte potenziell folgende Anwendungen umfassen:
- Biologische Abbaulösungen: Die Identifizierung und Massenproduktion von Enzymen, die Plastik abbauen, könnte eine effiziente Behandlung von Kunststoffmüll auf Deponien ermöglichen.
- Verbesserung des Plastikrecyclings: Die Nutzung von plastikabbauenden Enzymen oder Bakterien wie Kluyvera, Klebsiella, Lactococcus und Citrobacter könnte das Recycling effizienter und kostengünstiger machen.
- Nachhaltiges Abfallmanagement: Sobald diese Bakterien isoliert sind, könnten sie in grossem Umfang gezüchtet oder ihre Enzyme synthetisiert werden. Plastikverarbeitende Betriebe könnten sie dann gezielt zur Polystyrol-Entsorgung einsetzen. Auch Farmen oder Fabriken könnten kontrollierte Kolonien von dunklen Mehlwürmern zur Abfallbewirtschaftung nutzen.
Herausforderungen und Überlegungen
Obwohl die Fähigkeit der Larven von Alphitobius sp. Polystyrol zu konsumieren, vielversprechend ist, müssen mehrere Herausforderungen bewältigt werden, bevor ein grossflächiger Einsatz möglich ist. Zunächst kann eine einzelne Larve nur eine sehr geringe Menge Kunststoff aufnehmen (etwa 50 Larven verbrauchen rund 0.4 Gramm Polystyrol in 30 Tagen). Um einen spürbaren Beitrag zur Lösung des Plastikproblems zu leisten, müssen effiziente Verfahren zur Skalierung dieses Prozesses entwickelt werden.
Zudem könnte das Aussetzen von Larven in die freie Natur zur Plastikbekämpfung unbeabsichtigte Folgen haben, wie etwa die Störung lokaler Ökosysteme. Um solche Risiken zu vermeiden, konzentriert sich die Forschung auf die Isolierung von Bakterienkonsortien* und/oder Enzymen, die für den Kunststoffabbau verantwortlich sind. Dieser Ansatz bietet eine sicherere und besser kontrollierbare Alternative zum Einsatz lebender Insekten.
Die Zukunft plastikfressender Insekten
Die Fähigkeit der Larven von Alphitobius sp. Plastik zu konsumieren, zeigt, dass die Natur Lösungen für vom Menschen verursachte Umweltprobleme bieten kann. Durch die Erforschung und Anwendung dieser biologischen Prozesse könnten Forschende innovative Lösungen zur Reduzierung der globalen Plastikverschmutzung entwickeln. Zwar werden die Larven von Alphitobius sp. allein die Plastikkrise nicht lösen, doch gemeinsam mit anderen plastikfressenden Insekten wie dem Mehlkäfer (Tenebrio molitor), der Motte Corcyra cephalonica, der Kleinen Wachsmotte (Achroia grisella), der Grossen Wachsmotte (Galleria mellonella) und dem Grossen Schwarzkäfer (Zophobas morio) könnten sie ein wichtiger Schritt in Richtung effizienterer Abfallmanagementsysteme sein.
*Glossar
Bakterienkonsortien: Zwei oder mehr bakterielle oder mikrobielle Gruppen, die symbiotisch zusammenleben.
Quellen
Can the mealworm be the answer to Africa’s plastic waste problem? https://www.icipe.org/news/can-mealworm-be-answer-africa%E2%80%99s-plastic-waste-problem.
Ndotono, E.W., Tanga, C.M., Kelemu, S. et al. Mitogenomic profiling and gut microbial analysis of the newly identified polystyrene-consuming lesser mealworm in Kenya. Sci Rep 14, 21370 (2024). https://doi.org/10.1038/s41598-024-72201-9