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Baculoviren: Eine natürliche und nachhaltige Lösung zur Schädlingsbekämpfung

Baculoviren befallen gezielt bestimmte Insektenarten und könnten eine umweltfreundliche Alternative zu chemischen Insektiziden werden.

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Der Falter Spodoptera frugiperda ist ein hochgradig invasiver Schädling, der sich von Nutzpflanzen wie Mais, Reis und Baumwolle ernährt und erhebliche landwirtschaftliche Verluste verursacht.

Der Falter Spodoptera frugiperda ist ein hochgradig invasiver Schädling, der sich von Nutzpflanzen wie Mais, Reis und Baumwolle ernährt und erhebliche landwirtschaftliche Verluste verursacht. Bild: Adobe Stock

Landwirtschaftliche Schädlinge verursachen weltweit erhebliche Ernteverluste, bedrohen die Ernährungssicherheit und erhöhen die Abhängigkeit von chemischen Pestiziden. Während chemische Insektizide wirksam sind, bringen sie ernsthafte Probleme mit sich, darunter Resistenzbildung, Umweltverschmutzung und Schädigung von nützlichen Insekten. 

Eine vielversprechende Alternative ist der Einsatz von Baculoviren – natürlich vorkommende Viren, die gezielt bestimmte Insektenarten befallen. Diese Viren wurden über Jahrzehnte hinweg erforscht und gelten heute als leistungsstarkes Werkzeug im integrierten Pflanzenschutz (IPS). Im Gegensatz zu den meisten chemischen Insektiziden sind Baculoviren hochspezifisch für ihre Zielschädlinge und bieten eine umweltfreundliche sowie nachhaltige Lösung für die moderne Landwirtschaft. 

Gesunde Spodopera frugiperda Larve und Infizierte und durch das Virus getötete Larve.

A) Gesunde Spodopera frugiperda Larve C) Infizierte und durch das Virus getötete Larve. Bild: Gómez-Valderrama et al. 2022

Geschichte der Baculoviren in der Schädlingsbekämpfung

Die Geschichte der Baculoviren in der Schädlingsbekämpfung reicht bis ins frühe 20. Jahrhundert zurück, als Forschende erstmals virusinfizierte Insektenlarven in der Natur beobachteten. In den 1940er Jahren begannen Forschungen zu ihrem Einsatz als biologische Insektizide, und in den 1970er Jahren wurden die ersten kommerziellen baculovirusbasierten Biopestizide entwickelt. Diese ersten Produkte richteten sich gegen Schädlinge wie die Baumwoll-Kapseleule, einen Nachtfalter. Seitdem hat umfangreiche Forschung hocheffektive Virus-Biopestizide hervorgebracht, die heute weltweit zur Bekämpfung verschiedener Schädlinge eingesetzt werden.

Ein Virus, zwei Formen

Baculoviren treten während ihres Lebenszyklus in zwei Formen auf: 

  1. Occlusion Bodies (OBs) sind schützende Proteinpartikel, die das Virus enthalten und ihm ermöglichen, für eine gewisse Zeit ausserhalb des Wirts in der Umwelt zu überleben. Diese Form ist entscheidend für die Übertragung des Virus zwischen Insekten. 
  2. Budded Virus (BV): Nachdem das Virus aus den Occlusion Bodies (OBs) freigesetzt wurde und die primäre Infektion im Darm des Insekts ausgelöst hat, entsteht die Budded Virus-Form. In dieser Form verbreiten die Viren die Infektion innerhalb des Insektenkörpers. Sie entsteht, wenn das Virus durch Knospung eine infizierte Zelle verlässt. Diese Form ist auf die Infektion von Zelle zu Zelle im Wirt spezialisiert. 
Rasterelektronenmikroskopische (REM, links) und transmissionselektronenmikroskopische (TEM, rechts) Aufnahmen von Baculovirus-Occlusion Bodies (OBs), die aus einer infizierten Larve isoliert wurden.

Rasterelektronenmikroskopische (REM, links) und transmissionselektronenmikroskopische (TEM, rechts) Aufnahmen von Baculovirus-Occlusion Bodies (OBs), die aus einer infizierten Larve isoliert wurden. Massstabsbalken = 0.5 μm. Bilder: Lei C et al. 2020.

Wirkungsweise

Baculoviren wirken auf eine sehr gezielte Weise in ihren Wirten. Die Infektion beginnt, wenn ein Insekt OBs mit seiner Nahrung aufnimmt. Diese lösen sich im alkalischen Milieu des Mitteldarms auf und setzen die Viren frei, die dann die Darmepithelzellen infizieren. Von dort breitet sich das Virus systemisch in Form von BV im gesamten Insektenkörper aus, was schliesslich zum Tod der Larve führt. Sobald der Kadaver zerfällt, werden neue OBs in die Umgebung freigesetzt, wodurch sich der Infektionszyklus fortsetzt, und eine nachhaltige Schädlingskontrolle gewährleistet wird.

Das Diagramm zeigt den Lebenszyklus des Baculovirus in Schädlingen aus der Ordnung der Schmetterlinge (Lepidoptera).

Das Diagramm zeigt den Lebenszyklus des Baculovirus in Schädlingen aus der Ordnung der Schmetterlinge (Lepidoptera). Ausgebrachte Occlusion Bodies (OBs) werden von den Larven aufgenommen, wodurch infektiöse Viruspartikel freigesetzt werden, die den Mitteldarm infizieren und sich im Körper ausbreiten. Dies führt zum Tod der Larven, wodurch neue OBs in die Umgebung gelangen und der Infektionszyklus zur Schädlingsbekämpfung fortgesetzt wird. Bild: © Jeremy Gonthier erstellt mit Biorender

In-vivo-Produktionsprozess

Die Herstellung von Baculovirus-Insektiziden erfolgt hauptsächlich in vivo mithilfe von Insektenlarven. Diese Wirtslarven werden massenhaft gezüchtet und gezielt mit Baculoviren infiziert, indem ihr Futter kontaminiert wird. Während der Infektion vermehrt sich das Virus im Wirt, führt zu dessen Tod und Verflüssigung und die Freisetzung grosser Mengen an OBs.

Die in-vivo-Produktion von Baculoviren ist eine bewährte und wirksame Methode, die eine qualitativ hochwertige Virusausbeute gewährleistet, aber auch mit finanziellen Herausforderungen verbunden ist. Die Aufzucht der Insekten, die Verarbeitung sowie die benötigte Infrastruktur sind kostenintensiv. Zudem produziert jede Larve nur eine begrenzte Virusmenge, was eine Massenzucht erforderlich macht. Dennoch bietet diese Methode den Vorteil, dass die natürliche Wirt-Virus-Interaktion erhalten bleibt, was die Viruswirksamkeit sicherstellt. Fortschritte in Automatisierung und Zuchtmethoden verbessern zunehmend die Effizienz und Skalierbarkeit der Produktion.

Baculoviren in der Landwirtschaft

Baculoviren werden erfolgreich zur Bekämpfung bedeutender landwirtschaftlicher Schädlinge eingesetzt, darunter: 

  • Apfelwickler (Cydia pomonella): Ein schwerer Schädling in Apfel- und Birnenplantagen. Häufig genutzt im biologischen und integrierten Kernobstbau. 
  • Baumwoll-Kapseleule (Helicoverpa armigera): Einer der schädlichsten Schädlinge, der unter anderem Mais, Baumwolle, Tomaten und Hülsenfrüchte befällt. 
  • Spodoptera-Arten: Einige Arten dieser Gattung bedrohen weltweit wichtige Nutzpflanzen.

Viele neue Baculovirus-Produkte befinden sich in der Entwicklung, aber ihre Zulassung und Integration in IPS-Programme verzögern sich.

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Vorteile und Herausforderungen

Baculoviren bieten eine hochspezifische und umweltfreundliche Alternative zu chemischen Insektiziden. Im Gegensatz zu Breitbandinsektiziden infizieren sie nur bestimmte Insektenarten und schonen Nutzinsekten wie Bestäuber und Räuber. Diese Spezifität ergibt sich aus der feinen Wechselwirkung zwischen viralen Proteinen und Wirtszellrezeptoren, wodurch ausschliesslich Zielschädlinge betroffen sind. Zudem bauen sich Baculoviren in der Umwelt natürlich ab, wodurch Boden- und Wasserverschmutzung vermieden wird.

Besonders wertvoll ist ihr Einsatz im Resistenzmanagement. In Kombination mit anderen Methoden innerhalb des IPS bieten Baculoviren eine langfristige und nachhaltige Lösung zur Schädlingsbekämpfung und können Resistenzen vorbeugen.

Allerdings gibt es auch Einschränkungen. Baculoviren wirken langsamer als einige chemische Insektizide und benötigen mehrere Tage, um Schädlinge abzutöten – was in schweren Ausbrüchen ein Nachteil sein kann. Zudem sind sie empfindlich gegenüber UV-Strahlung, was ihre Wirksamkeit reduziert.

Für eine hohe Effizienz ist ein gutes Verständnis ihres Lebenszyklus erforderlich. Sie müssen gezielt gegen jüngere Larven appliziert werden. Bei starker UV-Belastung kann eine erneute Applikation notwendig sein, um die Wirksamkeit sicherzustellen.

Schliesslich müssen Baculoviren aufgrund umfangreicher Sicherheits- und Umweltprüfungen ein langwieriges Zulassungsverfahren durchlaufen. Das kostspielige und komplexe Zulassungsverfahren verlangsamt die Akzeptanz und die Investitionen, während die unterschiedlichen Vorschriften in den einzelnen Regionen zusätzliche Hürden darstellen. Eine Straffung und Vereinfachung der Zulassungsverfahren könnte die Zugänglichkeit und Innovation bei der Schädlingsbekämpfung mit Baculoviren fördern.

Zukunft der Baculovirus-Schädlingsbekämpfung

Mit zunehmender Pestizidresistenz und steigenden Umweltbedenken bieten Baculoviren eine natürliche und nachhaltige Alternative zur Schädlingsbekämpfung. Forschende arbeiten an der Verbesserung ihrer Wirksamkeit, Feldstabilität und grossflächigen Produktion und kombinieren sie mit anderen biologischen Bekämpfungsmethoden, um ihre Wirkung innerhalb des IPS zu steigern.

Trotz ihres Potenzials werden Baculoviren bisher nur begrenzt genutzt. Von über 600 identifizierten Stämmen sind nur etwa 60 kommerziell verfügbar, vor allem für hochwertige Kulturen. Eine Erweiterung auf weitere Schädlinge könnte die Schädlingsbekämpfung revolutionieren, insbesondere da zunehmende chemische Resistenzen und strengere Regulierungen alternative Lösungen erfordern. Mit fortschreitender Forschung und Innovation werden Baculoviren eine Schlüsselrolle in der zukünftigen Landwirtschaft spielen.

Quellen

Gómez-Valderrama J et al. 2022. Fungal and viral entomopathogens as a combined strategy for the biological control of fall armyworm larvae in maize. CABI Agric Biosci 3;24. https://doi.org/10.1186/s43170-022-00094-7 

Lei C et al. 2020. Molecular and Biological Characterization of Spodoptera frugiperda Multiple Nucleopolyhedrovirus Field Isolate and Genotypes from China. Insects 11;777. https://doi.org/10.3390/insects11110777

Lacey LA (Ed.) 2016. Microbial control of insect and mite pests: from theory to practice. Academic Press.

Gonthier Jet al. 2023. Few indirect effects of baculovirus on parasitoids demonstrate high compatibility of biocontrol methods against Tuta absoluta. Pest Management Science, 79;4:1431-1441. DOI: 10.1002/ps.7314

Autor:in

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Dr. Jérémy Gonthier

The New Zealand Institute for Plant and Food Research Limited

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